Großer oder Tigerschnegel

Limax maximus Linnaeus 1758

Limax maximus
Tigerschnegel (Limax maximus). Bild: Robert Nordsieck.
  Limax maximus
Getupfter Tigerschnegel (Limax maximus). Bild: Martina Eleveld.
 

Der Tigerschnegel ist eine der beiden bekanntesten und größten einheimischen Schnegelarten, neben dem Schwarzen Schnegel (Limax cinereoniger). Der wissenschaftliche Name Limax maximus ist aber genau genommen etwas irreführend, da der Tigerschnegel nicht die größte einheimische Schnegelart ist, ein Vorrecht, das dem meist deutlich längeren Schwarzen Schnegel gebührt. Ebenso ist der Tigerschnegel nicht immer getigert, sondern es kommen sehr wohl auch getupfte Exemplare vor, die dann eher die englische Bezeichnung "leopard slug" verdienen.

Tafel: Großer oder Tigerschnegel (Limax maximus) - Farbvariationen.

Grundsätzlich sind Tigerschnegel sehr interessante Tiere. Ursprünglich wahrscheinlich aus Süd- und Westeuropa nach Mitteleuropa eingewandert, hat sich der Tigerschnegel hierzulande als Kulturfolger etabliert. Die meisten Schnegelarten, darunter auch der Tigerschnegel, sind eigentlich waldlebende Schnecken, die von Pilzen, Flechten und Algen, sowie zerfallendem organischem Material (in unterschiedlichen Kombinationen) leben. Der Tigerschnegel ist zudem eine fakultativ Fleisch fressende Schnecke, die auch andere Nacktschnecken und deren Gelege frisst.

 
Wegschnecke (Arion vulgaris) greift einen vorbei kriechenden
Tigerschnegel (Limax maximus) an. Bild: Martina Eleveld.

Als Kulturfolger ist er heute in Parks, Gärten und auf Friedhöfen zu finden. Der Heidedichter Hermann Löns, seinerzeit ein etablierter Malakologe, hat Limax maximus auch aus westfälischen Kohlenkellern beschrieben. Im Zuge der modernen Globalisierung der Handelsbeziehungen ist der Tigerschnegel heute zudem nahezu weltweit verschleppt worden, als eingeschleppte Tierart (Neozoon) ist er unter anderem in Südafrika, Nordamerika, Australien, Tasmanien und Neuseeland zu finden.

An dieser Stelle ist besonders zu erwähnen, dass der Tigerschnegel zwar vor allem in Kulturgelände vorkommt, aber keine Schadschnecke ist. Im Gegenteil, dadurch, dass er andere Nacktschnecken, darunter die gefürchtete Spanische Wegschnecke (Arion vulgaris) und deren Gelege frisst, wirkt er hier regulierend und ist als Nützling zu verstehen. Aus Norwegen gibt es inzwischen sogar wissenschaftliche Untersuchungen, die diese Bedeutung des Tigerschnegels zu untermauern versuchen.

 

Ørmen, T.; Winter, B.; Bøckman, P. (2009): En eksperimentell studie av territorial- og predasjonsadferd hos stor kjølsnegl Limax maximus. Fauna 62(4) 2009: 106-111. (An experimental study of territorial and predation behaviour in the grey slug Limax maximus).

  Ørmen, T.; Winter, B.; Bøckman, P. (2010): Negativ tetthetsavhengighet mellom de skalløse snegleslektene Limax og Arion. Fauna 62(3) 2010 94–99. (Negative correlation between the population densities of the slug genera Limax and Arion). Beide Arbeiten können hier abgerufen werden.

Vergleichbare Beobachtungen konnte Martina Eleveld im Gelände machen. Bestätigung erhielten wir außerdem von Alexander Mrkvicka, sowie aus der Schneckenfarm in Nersingen bei Neu-Ulm, wo Tigerschnegel beliebt sind, da sie die schädlichen Wegschnecken regulieren, die mit den Zuchtschnecken vor allem um die Nahrung konkurrieren.

Andere Malakologen behandeln dieses Thema kontrovers: Der Tigerschnegel könne andere Nacktschnecken nicht wirksam regulieren, da er in der Natur in zu geringer Dichte vorkomme.

MDR.de: Tigerschnegel gegen Schnecken hilft nicht (Link, Abgerufen 19.08.2022).

 
Zwei Tigerschnegel (Limax maximus) in Paarungsstimmung
verfolgen sich. Bild: Martina Eleveld.

Mehr noch als durch seine ökologische Bedeutung ist der Tigerschnegel durch seine artistisch anmutende Paarungsmethode bekannt geworden. Dabei kriechen zunächst zwei Tigerschnegel, die sich zufällig begegnen, hintereinander her. Sie verfolgen sich vor allem nach dem Geruchssinn. Von besonderem Interesse ist augenscheinlich auch der Schleim, den der vordere Schnegel am Hinterende produziert.

Beide Schnegel folgen einander an eine erhöhte Position, etwa einen Mauervorsprung oder einen Ast an einem Baum. Von dort lassen sie sich an einem selbst produzierten Schleimseil bis 40 cm tief herab, um sich dann umschlungen, in freier Luft hängend, zu paaren. Beide Schnegel strecken nun ihren Penis aus und verschlingen diese Organe miteinander.

Schnegel sind ja Zwitter, die ihre Samenzellen in einer Spermatophore übertragen. Dies geschieht in einer blumenartigen Struktur, die von den verschlungenen Penes unterhalb der Köpfe der Schnecken gebildet wird.

Paarung des Tigerschnegels    Nahaufnahme: Bildung der "Blume"   
Paarung des Tigerschnegels (Limax maximus).
Bild: Martina Eleveld.
 
   
Paarung des Tigerschnegels auf Youtube   
Paarung des Tigerschnegels (Limax maximus).
Playlist auf Youtube. Filme: Martina Eleveld.
 

Die Paarung des Tigerschnegels findet im Frühsommer in der Nacht statt und hat auch schon Eingang in Naturfilme wie David Attenboroughs "Das Leben im Verborgenen" (im Original "Life in the Undergrowth") gefunden.

  BBC Worldwide auf youtube: Weird mating calls of the leopard slug: Sir David Attenborough berichtet in "Life in the Undergrowth" über die Paarung des Tigerschnegels.
 

Während der Paarung, aber auch, wenn er anderweitig gereizt wird, zum Beispiel durch Berührung oder durch Besprühen mit Wasser, kann der Schnegel die Seiten des Mantelschildes wie Flügel anheben.

Nach dem Abschluss der Paarung kriecht ein Schnegel an dem Schleimfaden empor und frisst diesen teilweise auf, während der andere sich direkt zu Boden fallen lässt. Dies kann man gut un der Bilderserie von Martina Eleveld sehen, einige Filmaufnahmen sind auch auf Youtube erschienen.

Paarung des Tigerschnegels (Limax maximus). Bilderserie mit Erläuterungen. Bilder: Martina Eleveld.
Paarung des Tigerschnegels (Limax maximus). Playlist auf Youtube. Filme: Martina Eleveld.

Im Gegensatz zu den Wegschnecken ist der Tigerschnegel mehrjährig, er überwintert und kann bis zu zweieinhalb Jahre alt werden.

  Limax maximus Gelege
Gelege eines Tigerschnegels (Limax maximus).
Bild: Clemens M. Brandstetter (Quelle: Wikipedia)

Nach ihrem artistischen Paarungsakt legen Tigerschnegel bis zu 200 große, glasklare Eier, in denen man die Entwicklung der Jungschnecken gut beobachten kann. Die frisch geschlüpften jungen Tigerschnegel sind winzig und blass weiß. Erst nach einiger Zeit, etwa eine Woche später, bekommen sie die ersten Streifen und Bänder.

Tigerschnegel lassen sich gut im Terrarium halten. Während die Tiere zwar auch andere Nacktschnecken fressen, sind sie nach unterschiedlichen Beobachtungen nur in geringem Maße kannibalisch, werden sich in einem ausreichend großen Terrarium mit genügender Nahrungsversorgung also auch nur selten angreifen.

Erwähnenswert ist, dass Tigerschnegel auch gegenüber den Jungtieren keine Aggressionen an den Tag legen, vielmehr kriechen die Jungtiere ohne weiteres über die Alttiere hinweg und lassen sich von diesen umher tragen. Oftmals verstecken sich auch mehrere Tigerschnegel unter einem Rindenstück, in der Natur konnten sie zu mehreren Exemplaren an einem Baumstumpf gefunden werden, was offenbar ebenfalls zu keinen Problemen führt.

Aufgrund der besonderen Paarungsmethode des Tigerschnegels sollte ein Terrarium für diese Art eine ausreichende Höhe aufweisen und über genug Klettermöglichkeiten verfügen, also etwa über Äste, von denen sich die Tiere auch abseilen können. Dann ist auch eine Paarung in Gefangenschaft möglich.

Obwohl der systematische Name des Tigerschnegels, Limax maximus, auf Carl v. Linné zurück geht und somit zu den ältesten gültigen systematischen Namen gehört, ist die systematische Zuordnung des Tigerschnegels sehr lange unklar gewesen, und besonders die Abtrennung zum anfangs als Teil der selben Art beschriebenen Schwarzen Schnegel (Limax cinereoniger) war lange Zeit sehr undeutlich und schwer nachzuvollziehen. Eine klare anatomische Abgrenzung fand erst Mitte des 19. Jhd. statt, eine biologische, bzw. sexualbiologische Abgrenzung erst in den 1930er Jahren. Selbst in den 1980er Jahren wurde das Verhältnis von Limax maximus und Limax cinereoniger als "unklar" bezeichnet (Wiktor, 1983). In einer Abhandlung der Malakologen Ted v. Proschwitz und Gerhard Falkner (2007) wurde dem Tigerschnegel schließlich ein so genannter Lectotypus (vgl. Regeln der Nomenklatur) aus Yorkshire in England zugeteilt, was der ursprünglichen Beschreibung Linnés (beruhend auf einer älteren Beschreibung von Lister von 1685) so nahe kommt, wie möglich.

Von Proschwitz, T.; Falkner, G. (2007): Limax maximus Linnaeus 1758: Die problematische Identität einer vermeintlich gut bekannten Art (Gastropoda: Limacidae). Heldia 5 (3): 89 - 98.

  Weichtier des Jahres 2005: Der Tigerschnegel. Folder.
Weichtier des Jahres: Der Tigerschnegel. Informationsblatt (PDF).

Das Kuratorium "Weichtier des Jahres" hat 2005 den Tigerschnegel zum Weichtier des Jahres gekürt und ein Informationsblatt zu dieser interessanten Schneckenart herausgegeben.

Ein Zitat aus dieser Veröffentlichung beschreibt den Tigerschnegel sehr gut: "Einerseits haftet gerade den Nacktschnecken ein von den meisten Menschen tief empfundener Makel des Ekelhaften und Schädlichen an; andererseits handelt es sich besonders bei Limax maximus um ein Tier von unbestreitbarer Schönheit und Eleganz mit einem geradezu spektakulären Verhaltensrepertoire.".

Da bleibt nicht mehr viel zu sagen.

Artbeschreibung: Tigerschnegel (Limax maximus).
Tigerschnegel aus Yorkshire: Abbildungen von Ken Wood eines Tigerschnegels (Limax maximus) von Swinsty, Yorkshire. Yorkshire ist der Locus typicus der Art.

Weiterführende Informationen

Literatur

DVD / TV

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